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Unfall - Verletztenrente - Unfallfolgen - Schleudertrauma - Posttraumatische Belastungsstörung - Persönlichkeitsstörung, Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil v. 06.08.2012, L 3 U 88/11
Tenor
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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
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Kosten sind nicht zu erstatten.
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Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund eines von ihr als Arbeitunfall anerkannten Wegeunfalls vom 08. September 2005.
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Der Kläger erlitt am 17. Oktober 2003 bei einer Pkw-Fahrt einen später von der Beklagten als Arbeitsunfall anerkannten Auffahrunfall. Die Beteiligten streiten seitdem und zuletzt im ebenfalls vor dem erkennenden Senat anhängigen Berufungsverfahren L 3 U 629/08 um die Feststellung von Unfallfolgen und Ansprüchen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
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Der Kläger erlitt am 08. September 2005 einen weiteren, später ebenfalls von der Beklagten als Arbeitsunfall anerkannten Verkehrsunfall, als er mit seinem PKW an einer roten Ampel wartete und ihm von hinten ein anderer PKW auffuhr. Der Kläger arbeitete zunächst weiter und stellte sich am 12. September 2005 dem Orthopäden Dr. B vor. Dieser stellte bei ihm Bewegungsschmerzen an der Halswirbelsäule (HWS), eine endgradige Bewegungseinschränkung, eine beidseitige Seitwärtsneigung von 70°, eine endgradig eingeschränkte Reklination und Inklination bei intakter Motorik, Sensibilität und Durchblutung, zudem ohne Erbrechen, Übelkeit und Amnesie bei prompter und seitengleicher Pupillenreaktion und paravertebralem Hartspann fest. Die Röntgenuntersuchung der HWS erbrachte keine knöchernen Verletzungen. Dr. B diagnostizierte eine HWS-Distorsion.
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Im Verlaufsbericht vom 08. September 2005 führte der Orthopäde Dr. G aus, dass ein erneuter Unfall mit gleichem Befund und Beschwerdebild vorliege. Es sei von einer Degeneration der HWS auszugehen. Der Kläger werde wie schon vorher mit Krankengymnastik behandelt. Mit Schreiben vom 22. Januar 2007 teilte Dr. G der Beklagten mit, dass der Kläger bei einem Zustand nach zweimaligem Schleudertrauma an einem chronischen Cervicalsyndrom mit Neurologie leide. Dr. G empfahl eine Zusammenhangsbegutachtung, welcher Unfall zu einer Chronifizierung des Syndroms geführt habe. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. attestierte dem Kläger mit Schreiben vom 11. September 2006 zusätzlich zum Cervicalsyndrom ein inkomplettes Hornersyndrom links sowie eine Sensibilitätsstörung im Bereich der linken Hand. Mit Schreiben vom 08. Januar 2007 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass sich seine Beschwerden im Bereich der HWS seit dem zweiten Unfall erheblich verschlechtert hätten.
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Mit Bescheid vom 03. September 2007 erkannte die Beklagte den Auffahrunfall des Klägers vom 08. September 2005 als Arbeitsunfall an und lehnte die Gewährung einer Verletztenrente ab. Zur Begründung führte sie u.a. aus, dass der Unfall lediglich zu einer folgenlos ausgeheilten HWS-Distorsion geführt habe. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei nicht über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus in rentenberechtigendem Grade gemindert. Mit Schreiben vom 21. September 2007 erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, die Beklagte habe den zweiten Arbeitsunfall überhaupt nicht inhaltlich geprüft. Nach den Befunden der behandelnden Ärzte hätte bereits der erste Unfall zur Anerkennung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. führen müssen. Durch den zweiten Unfall seien die Beschwerden derart verschlimmert worden, dass der Kläger nunmehr ständig Schmerzen bereits auch beim Gehen habe. Darüber hinaus leide der Kläger seit dem zweiten Unfall an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), unter Albträumen hinsichtlich der Verkehrsunfälle und könne nur noch unter Anspannung Auto fahren. Er sei ständig gereizt und ungeduldig. Seien Persönlichkeit habe sich aufgrund des zweiten Arbeitsunfalls negativ verändert
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Die Beklagte holte das polizeiliche Unfallprotokoll zum Unfall vom 08. September 2005 ein, ausweislich dessen es an dem PKW des Klägers zu einem Schaden von ca. 300,00 € gekommen sein soll. Die Beklagte holte zudem ein Zusammenhangsgutachten nach Aktenlage beim Arzt für Chirurgie etc. Dr. M ein. Dieser kam in seinem Gutachten vom 27. November 2007 zum Ergebnis, dass sich bezogen auf den Unfall vom 08. September 2005 keine wesentlichen Gesundheitsschäden feststellen ließen. In Anbetracht des geringen Schadens, der nur im Heckbereich des PKW des Klägers entstanden sei, könne kein erhebliches Aufpralltrauma stattgefunden haben. Der Kläger habe sich zudem erst am 12. September 2005 einem Arzt vorgestellt. Hier hätten auch keine Unfallfolgen festgestellt werden können. Die Diagnose eines paravertebralen Muskelhartspanns beschreibe keine Unfallfolge, sondern stelle eine alltägliche Situation im Wirbelsäulenbereich dar. Die Diplom-Psychologin O führte im psychologischen Befundbericht vom 06. November 2007 aus, dass es beim Kläger zu Flashbacks komme, wenn er an der Unfallstelle vorbeikomme. Er sehe sich dann an einem sonnigen Herbsttag im Stau und, wie er nach dem Aufprall des Unfallgegners von seinem Sitz hoch katapultiert werde. Der Kläger zeige jedoch kein Vermeidungsverhalten
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Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. M. Hinsichtlich der vom Kläger als Unfallfolge angegebenen PTBS führte sie aus, dass der Unfall weder als schweres traumatisches Ereignis anzusehen sei, noch sei ein angstbezogenes Vermeidungsverhalten beim Kläger ersichtlich. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer PTBS seien damit nicht erfüllt
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Mit seiner am 28. März 2008 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen seine Ausführungen aus dem vorangegangenen Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vertieft. Ergänzend hat er darauf hingewiesen, dass der Unfall an seinem Pkw ausweislich des eingeholten Privatgutachtens zu einem wirtschaftlichen Totalschaden i.H.v. 3.848,03 € geführt habe
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Das SG hat durch Einholung der Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers sowie durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens aufgrund der Beweisanordnung vom 04. Mai 2010 durch die Chefärztin der Klinik für Neurologie der DRK Kliniken B Dr. F vom 05. Oktober 2010 Beweis erhoben. Diese hat beim Kläger als Gesundheitsstörungen ein chronisches Zervikobrachialsyndrom mit sensiblen Missempfindungen, inkomplett im Versorgungsgebiet des C6-Dermatoms links, ein inkomplettes Hornersyndrom links, eine leichte Schädigung des Nervus Thoracicus longus (C5 bis C7) links und eine leichte depressive Störung festgestellt, ohne diese Erkrankungen auf den Unfall vom 08. September 2005 zurückzuführen.
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Nachdem der Kläger dem Gutachten inhaltlich entgegengetreten ist (vgl. Schriftsatz vom 10. November 2010), hat das SG die Klage mit Urteil vom 22. Februar 2011 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente scheitere bereits daran, dass sich der insoweit erforderliche Vollbeweis für den Eintritt einer Verschlechterung des Gesundheitszustands nach dem Unfall vom 08. September 2005 nicht habe erbringen lassen. Hierfür sei im Wesentlichen auf die in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen Dr. F abzustellen. Diese habe inhaltlich übereinstimmend mit Dr. M ausgeführt, dass alle vom Kläger im Bereich der HWS, der Schultern und der Arme beklagten Beschwerden auch bereits vor dem Unfall vom 08. September 2005 bestanden hätten.
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Der Kläger hat gegen das ihm am 03. März 2011 zugestellte Urteil am 04. April 2011 Berufung eingelegt. Er hält an seinem bisherigen Vorbringen fest. Er hält der Begutachtung durch Dr. F entgegen, dass sich dort mehr mit dem Parallelverfahren hinsichtlich des ersten Unfalls vom 17. Oktober 2003 beschäftigt werde als mit dem hier verfahrensgegenständlichen Unfall vom 08. September 2005. Zur Untermauerung seines Vorbringens legt der Kläger Atteste bzw. Befundberichte der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S vom 11. September 2006, 03. November 2006, 10. Juni 2007, 05. Dezember 2007, 12. März 2008, 26. Oktober 2009 sowie Atteste bzw. Berichte des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S vom 14. November 2005, 16. Februar 2006, 06. Juni 2006 sowie Atteste des Facharztes für Orthopädie Dr. G vom 21. Dezember 2005, 31. Mai 2006, 02. Juli 2007, 30. August 2006, 23. September 2006 vor. Er verweist unter nochmaliger Vorlage des Schadensgutachtens des Kfz-Sachverständigenbüros R H und L K vom 15. September 2005 auf die Schwere des 3.848,03 € betragenden Bruttoschadens.
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Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
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das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 03. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2008 aufzuheben und festzustellen, dass die Beschwerden des Klägers als Folgen des Arbeitsunfalls vom 08. September 2005 über sechs Wochen nach dem Unfall hinaus behandlungsbedürftig sind, und die Beklagte zu verurteilen, ihm infolge des Arbeitsunfalls vom 08. September 2005 eine Verletztenrente ab dem 09. September 2005 nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
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Der Senat das schriftliche Sachverständigengutachten des Chefarztes der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Klinikums Dr. T vom 02. Februar 2012 eingeholt. Er hat beim Kläger eine neurotische Störung im Sinne einer Neurasthenie vor dem Hintergrund einer kombinierten Persönlichkeitsstörung festgestellt, ohne diese Gesundheitsstörung auf den Unfall vom 08. September 2005 zurückzuführen. Der Kläger ist dem Gutachten mit einer weiteren ärztlichen Stellungnahme Dr. S vom 05. Januar 2012 entgegengetreten.
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Die Beteiligten haben mit weiteren Schriftsätzen vom 02. Mai 2012 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter anstelle des Senats erklärt.
Entscheidungsgründe
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Der Berichterstatter konnte im Wege schriftlichen Verfahrens anstelle des Senats entscheiden, nachdem die Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt hatten, §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1, 155 Abs. 3 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
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Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung ist unbegründet. Das SG die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
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Allerdings ist die Klage, soweit der Kläger die Feststellung von Behandlungsbedürftigkeit von über sechs Wochen nach dem Unfall hinaus begehrt, bereits unzulässig und die Berufung aus eben diesem Grunde unbegründet. Insoweit fehlt es bereits an einem anfechtbaren Verfügungssatz in einem der verfahrensgegenständlichen Bescheide bzw. an der Durchführung des nach § 78 SGG erforderlichen Vorverfahrens. So regelt der Bescheid vom 03. September 2007 in einem den Anforderungen aus § 31 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) an die Rechts- bzw. Regelungswirkung zu stellenden Anforderungen entsprechenden Verfügungssatz lediglich, dass ein Anspruch auf Verletztenrente mangels einer rentenberechtigenden MdE von wenigstens 20 v.H. infolge des Unfalls vom 08. September 2005 nicht besteht. Auch der Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2008 verhält sich weder im Verfügungssatz noch in der Begründung mit einem erkennbaren rechtlichen Bindungswillen zur Behandlungsbedürftigkeit des Klägers.
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Auch im Übrigen ist die Berufung unbegründet, soweit der Kläger um die Gewährung einer Verletztenrente nach dem Unfall vom 08. September 2005 streitet. Insoweit hat das SG die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind in der Sache selbst rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht. Er hat wegen der Folgen seines Unfalls vom 08. September 2005 keinen Anspruch auf Verletztenrente.
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Nach § 56 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Nach § 56 Abs. 1 S. 2 SGB VII besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert ist und die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20 erreichen. Nach § 56 Abs. 1 S. 3 SGB VII sind die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.
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Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (etwa Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden" im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, a.a.O., Rn. 16). Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall (wesentlich) verursacht wurde, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache - die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.).Erst dann, wenn sich die haftungsausfüllende Kausalität annehmen lässt, stellt sich die Frage nach der Bemessung der MdE und hängt diese von zwei Faktoren ab: Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (etwa BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R -, zitiert nach juris Rn. 12). Dies zugrunde gelegt steht nicht zur Überzeugung des Senats gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG fest, dass überhaupt Gesundheitsfolgeschäden vorliegen, welche im Sinne einer wesentlichen Verursachung – abgrenzbar - auf den Unfall vom 08. September 2005 zurückgeführt werden können. Es ist schon nicht bewiesen, dass sich der gesundheitliche Zustand des Klägers nach dem Unfall vom 08. September 2005 verschlechterte. Zunächst wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG abgesehen, weil die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurückzuweisen ist. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch eingedenk des mit der Vorlage des Schadensgutachtens schlüssig dargelegten, am Pkw entstandenen hohen Sachschadens die tatsächlichen Voraussetzungen der gesetzlichen Merkmale des geltend gemachten Anspruchs auf Verletztenrente nicht mit dem jeweils zu fordernden Grad bewiesen sind. Abgesehen von der unbewiesenen Verschlechterung vermag der Senat auch nicht erkennen, welches der der beim Kläger feststellbaren Krankheitsbilder abgrenzbar und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 08. September 2005 zurückzuführen wäre. Soweit der im Berufungsverfahren von Amts wegen mit der Erstellung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens betraute Dr. T, welcher dem Senat aus einer Vielzahl von Berufungsverfahren als auf seinem Fachgebiet ausgewiesener Experte bekannt ist und dessen Fachkompetenz außer Frage steht, aufgrund einer eingehenden Befunderhebung auf seinem Fachgebiet der Psychiatrie nun zwar eine neurotische Störung im Sinne einer Neurasthenie vor dem Hintergrund einer kombinierten Persönlichkeitsstörung festgestellt hat, hat er jedoch einen Zusammenhang mit dem Unfall vom 08. September 2005 nachvollziehbar ausgeschlossen. Hiernach liegen unter Einbeziehung der übrigen, im Kern und im Ergebnis übereinstimmenden medizinischen Ermittlungen des Verwaltungsverfahrens sowie des erst- und zweitinstanzlichen gerichtlichen Verfahrens auch keine Anhaltspunkte für weitergehende Ermittlungen vor, denen - auch eingedenk der dem Gericht aus § 103 SGG obliegenden Amtsermittlungspflicht - nachzugehen wäre. Soweit der Kläger auch zuletzt auf Atteste und Berichte der ihn behandelnden Ärzte verweist, lassen diese keine objektiven Befunde erkennen, von denen auf ein abgrenzbares, erst nach dem Unfall vom 08. September 2005 – und nicht auf die beiden Auffahrunfälle in ihrer Gesamtheit - entstandenes Krankheitsbild zu schließen wäre. Vielmehr berichtet Dr. Sch in ihren Attesten vom 11. September, 02. November 2006 und 10. Juni 2007 lediglich von einem Status nach zweimaligem HWS-Schleudertrauma bzw. im Attest vom 05. Dezember 2007 von einem reaktiv depressiv-ängstlichen Syndrom nach zwei unverschuldeten Auffahrunfällen und sieht im Attest vom 12. März 2008 zwar nun ausdrücklich einen ursächlichen Zusammenhang mit dem zweiten Unfall vom 08. September 2005, vermag dies aber nicht näher zu begründen und mit dem gesundheitlichen Zustand des Klägers vor dem Unfall vom 08. September 2005 in Beziehung zu setzen; dies ist dem Umstand geschuldet, dass die Behandlung - etwa ausweislich ihrer ärztlichen Stellungnahme vom 05. Jan. 2012 - bei ihr erst im Juli 2006, mithin nach dem zweiten Auffahrunfall begann. Dr. G nimmt in keinem seiner Atteste bei den erwähnten Befunden eine trennscharfe Unterscheidung zwischen den beiden Unfällen vor. Dr. S diskutiert zwar in seinem Bericht vom 14. November 2005 einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 08. September 2005, stellt hierfür indes nur auf die vom Kläger gemachten Verlaufsangaben und nicht auch auf belastbare Befunde ab.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
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Die Revision ist mangels Zulassungsgrunds nach § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.