Dr. Norbert U. Klingel

Rechtsanwalt und Mediator Kleinmachnow

Dr. Norbert Klingel

Rechtsanwalt    u.    Mediator

 

 

Ein Rücktritt vom Kaufvertrag über ein Neufahrzeug nach den zu sog. "Montagsautos" entwickelten Grundsätzen setzt voraus, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Rücktritts einen Sachmangel aufweist.
Fehlt es daran, kann der Rücktritt nicht allein darauf gestützt werden, dass das Fahrzeug wegen einer Vielzahl in der Vergangenheit bestehender - zwischenzeitlich beseitigter - Mängel fehleranfällig sei. KG Berlin, Beschluss v. 19.07. 2012, AZ. 23 U 79/12

Tenor

In dem Rechtsstreit ... Berlin ./. ... mbH beabsichtigt der Senat nach Vorberatung, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die erstinstanzliche Kostenentscheidung dahin geändert wird, dass die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, die dadurch entstanden sind, dass dem Sachverständigen Dr. ... das Fahrzeug am 03.03.2010 durch die Beklagte nicht zur Verfügung gestellt worden ist, weil sie - abgesehen vom Kostenpunkt - offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten erscheint.

Gründe

A

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gem. den §§ 433 Abs. 1, 434, 437 Nr. 2, 323, 346 Abs. 1 BGB steht der Klägerin nicht zu, denn ein Sachmangel, der zum Rücktritt berechtigen könnte, liegt nicht vor.

1. Anders als das Landgericht meint, kann als maßgebliche Rücktrittserklärung noch nicht auf das Schreiben vom 08.04.2009 abgestellt werden, denn dort ist der Rücktritt unter der Voraussetzung erklärt worden, dass eine Nachbesserung keinen Erfolg bringen sollte. Als Gestaltungserklärung ist der Rücktritt grundsätzlich bedingungsfeindlich (BGH, Urt. v. 21.03.1986 - V ZR 23/85 -, Rn.16, zitiert nach Juris). Abweichendes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn bei dem Erklärungsempfänger keine unzumutbare Ungewissheit über den neuen Rechtszustand eintritt (BGH, a.a.O.). Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor. Als Rücktrittserklärung ist mithin auf das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 21.04.2009 (Anlage K22) abzustellen.

2. Das Landgericht hat auf Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen Dr. ... rechtsfehlerfrei festgestellt, dass Mängel - im Hinblick auf Drehzahlschwankungen des Motors und das Schiebedach - nicht vorliegen bzw. - hinsichtlich der Türverkleidung und den behaupteten ungleich langen Auspuffrohren - nicht erheblich sind, § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB. Konkrete Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der festgestellten Tatsachen macht die Klägerin nicht geltend, § 529 Abs.1 Nr.1 ZPO. Auch Rechtsfehler (§ 546 ZPO) zeigt die Berufung insoweit nicht auf. Soweit der Mangel an der Türverkleidung (zu erneuernder Befestigungsclip) betroffen ist, ist zudem nicht erwiesen, dass ein Mangel bei Übergabe des Fahrzeuges an die Klägerin vorgelegen hat. Gleiches gilt für die - behauptete - unterschiedliche Länge der Auspuffrohre.

3. Wegen der behaupteten Drehzahlschwankungen des Motors kann nicht unter dem Gesichtspunkt der Beweisvereitelung ein Mangel - zum Zeitpunkt des Rücktritts - als erwiesen erachtet werden. Den Beweis vereitelt, wer die Beweisführung durch den beweisbelasteten Gegner schuldhaft verhindert oder erschwert. Die Beweisvereitelung setzt ein doppeltes Verschulden voraus, das sich sowohl auf die Zerstörung bzw. Entziehung des Beweisobjektes als auch auf dessen Beweisfunktion im gegenwärtigen oder zukünftigen Prozess beziehen muss (Musielak/Foerste, ZPO, 8. Aufl., § 286, Rn.62, 65). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn es ist bereits nicht erwiesen, dass der Fehlerspeicher des Motorsteuergerätes durch die Beklagte gelöscht worden ist. Insbesondere kann dies nicht allein daraus hergeleitet werden, dass das Fahrzeug seit der Löschung des Speichers nur 14 Kilometer bewegt worden ist und eben diese Entfernung der Distanz zwischen dem Untersuchungsort und der Niederlassung der Beklagten entspricht. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass er vermute, dass etwaige Mängel im Zusammenhang mit Drehzahlschwankungen schon im Zuge des Einbaus der neuen Drosselklappe Anfang März 2009 beseitigt worden seien. Im Ergänzungsgutachten hat er ferner dargelegt, dass der Fehlerspeicher sich auch selbstständig lösche, wenn ein Fehler lange Zeit nicht auftrete, weil er behoben worden oder nur sporadisch oder kurzzeitig aufgetreten sei. Nachdem das Fahrzeug erst etwa ein Jahr nach dem Austausch der Drosselklappe, nämlich am 01.04.2010 durch den Sachverständigen untersucht worden ist, lässt sich nicht ausschließen, dass etwaige Fehlermeldungen - sollten sie denn überhaupt vorgelegen haben - selbstständig gelöscht worden sind

Hinzu kommt, dass etwaige Drehzahlschwankungen allein durch die Löschung des Fehlerspeichers nicht beseitigt worden wären und daher bei der Untersuchung durch den Sachverständigen hätten feststellbar sein müssen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist eine Änderung der Software für die Motorsteuerung - wodurch etwaige Drehzahlschwankungen hätten abgestellt werden können - indessen nicht erfolgt

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass selbst dann, wenn durch die Beklagte nach Übernahme des Fahrzeuges am 07.04.2009 (Anlage K20) noch Arbeiten zur Behebung von Drehzahlschwankungen ausgeführt worden wären, insoweit keine Beweisvereitelung vorläge, denn - wie ausgeführt - hat die Klägerin mit Schreiben vom 08.04.2009 den Rücktritt lediglich für den Fall erklärt, dass die "Nachbesserung keinen Erfolg bringen" würde. Weitere Arbeiten am Fahrzeug hätte sich die Beklagte mithin erst nach dem "bedingungslosen" Rücktritt vom 21.04.2009 versagen müssen.

4. Der Berufung vermögen auch nicht die von der Rechtsprechung zu sog. "Montagsautos" entwickelten Grundsätze zum Erfolg zu verhelfen, denn auch danach kann auf das Vorliegen eines Mangels nicht verzichtet werden. Vielmehr geht es hierbei darum, unter welchen Voraussetzungen der Käufer vom Vertrag zurücktreten kann, ohne zuvor eine Frist zur Nachbesserung zu setzen. Mit dem Begriff des "Montagsautos" sollen Fälle erfasst und einer sachgerechten Lösung zugeführt werden, in denen einem Käufer eine Nachbesserung von vornherein unzumutbar ist. Als typisch für ein sog. "Montagsauto" gilt das Auftreten einer Vielzahl mehr oder weniger kleinerer Defekte, und zwar nicht auf einen Schlag, sondern sukzessive und dies meist zeitnah nach Auslieferung (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl., Rn.984). Die Prüfung ist in zwei Schritten zu vollziehen. Zunächst ist das Mangelbild bezogen auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung zu ermitteln und festzustellen, welche Mängel zu diesem Zeitpunkt vorhanden und auch bereits bei Auslieferung da waren. Auf Grundlage der ggf. nach sachverständiger Beratung zu treffenden Feststellungen kommt es in einem zweiten Schritt darauf an, ob der Käufer berechtigterweise die Befürchtung haben konnte, der Händler werde nicht nur die noch vorhanden Mängel in absehbarer Zeit nicht beseitigen, sondern darüber hinaus das Ziel vollkommener Mangelfreiheit auch künftig verfehlen. In diesem Zusammenhang ist etwa auch relevant, wie häufig der Käufer mit dem Fahrzeug aus welchem Anlass und mit welchem Ergebnis in der Werkstatt des Händlers war (Reinking/Eggert, a.a.O., Rn.993f). Nachdem in dem hier zur Entscheidung stehenden Rechtsstreit bereits ein Sachmangel nicht nachgewiesen ist, stellt sich die Frage nicht, ob der Klägerin ein weiterer Nachbesserungsversuch zumutbar gewesen wäre. Es kann daher offen bleiben, ob im Hinblick auf die nicht unbeträchtliche Anzahl der Werkstattaufenthalte des Fahrzeuges seit Auslieferung und die in diesem Zusammenhang ausgeführten Arbeiten ein weiteres Nachbesserungsverlangen für die Klägerin unzumutbar (§ 440 Satz 1 Alt. 3 BGB) gewesen wäre. Darauf, ob bereits wegen der in der Vergangenheit gerügten Mängel zu einem früheren Zeitpunkt ein Rücktritt vom Vertrag nach den zu "Montagsautos" entwickelten Grundsätzen möglich gewesen wäre kommt es nicht an, nachdem die Klägerin insoweit Nacherfüllung verlangt und nicht geltend gemacht bzw. nicht bewiesen hat, dass jene Mängel nicht behoben worden seien.

B.

Zu Recht wendet die Klägerin ein, dass die Kostenentscheidung des landgerichtlichen Urteils teilweise fehlerhaft ist. Gem. § 95 ZPO sind einer Partei, die einen Termin oder eine Frist versäumt oder schuldhaft die Verlegung eines Termins veranlasst, die dadurch verursachten Kosten aufzuerlegen. Bei der Verlegung eines vom Sachverständigen anberaumten Termins findet die Vorschrift entsprechend Anwendung (Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl. § 95, Rn.2; OLG Schleswig, SchlHA 75, 135). Dass der vom Sachverständigen zur Begutachtung angesetzte Termin am 03.03.2010 deshalb verlegt werden musste, weil das Fahrzeug durch die Beklagte - anders als zugesagt - an den Sachverständigen nicht herausgegeben wurde, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Anders als die Klägerin meint, sind die Mehrkosten indessen nicht mit dem in diesem Zusammenhang erforderter - weiteren - Kostenvorschuss in Höhe von 500,00 Euro gleichzusetzen. Vielmehr ist im Kostenausspruch allein das kostenverursachende Verhalten der Parteien zu bezeichnen. Die konkrete Ermittlung der Kosten muss dem Kostenfestsetzungsverfahren vorbehalten bleiben.

Der Senat ist berechtigt, bei richtiger erstinstanzlicher Entscheidung in der Hauptsache die erstinstanzliche Kostenentscheidung im Rahmen des Verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO zu korrigieren (Schellenberg, MDR 2005, 610 (613)). Dafür spricht neben dem Rechtsgedanke des § 99 Abs. 1 ZPO auch der Umstand, dass sich die Berufungssumme ausschließlich aus der Beschwer in der Hauptsache errechnet (OLG München, Beschluss v.09.08.2011 - 1 U 1571/11 - zitiert nach Juris).

C.

Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass sich die Gebühr für die Berufung im Falle der Berufungsrücknahme gem. Nr. 1222 der Anlage 1 zum GKG von 4,0 auf 2,0 ermäßigt. Es wird ferner darauf hingewiesen, dass sich die Mehrkosten in Folge der Versäumung des Termins vom 03.03.2010 ausweislich der Rechnung des Sachverständigen vom 06.05.2010 (Bd.I, Bl.109 d.A.) aus einem Stundenaufwand des Sachverständigen von 1,5 Stunden für die versuchte Fahrzeugübernahme am 03.03.2010 von 1,5 Stunden bei einem Stundensatz von 75,00 Euro sowie Fahrtaufwendungen für 24 Km zu 0,30 Euro zusammensetzen dürften. Der Senat erachtet es für denkbar, dass sich die Beklagte für den Fall der Rücknahme der Berufung bereit erklärt, die Kosten zu tragen, die dadurch entstanden sind, dass dem Sachverständigen das Fahrzeug am 03.03.2010 nicht zu Verfügung gestellt worden ist.